Ich wohne in einer Einkaufsstraße mit vielen Läden, die stark frequentiert werden. In der Innenstadt meines Heimatorts werden Bettler inzwischen sehr stark kontrolliert, sodass sie in andere Bezirke abwandern, u.a. sitzt jetzt ein Bettler so gut wie jeden Tag – meist vormittags - neben der Eingangstür meines Wohnhauses.
Er saß bis heute da nur, in seine Decke eingewickelt und einen Pappbecher vor sich hingestellt. Ich habe dann ab und an etwas Geld gegeben, aber nicht jeden Tag. Das geht jetzt seit so ungefähr fünf oder sechs Wochen.
Ich merke, dass mich das immer mehr stört und ich inzwischen zunehmend ungern vormittags einkaufen geh. Ich will nicht jedes Mal was geben*. Ich will seinem Blick nicht ausweichen müssen, sondern ohne Verpflichtungsgefühl zurückschauen können, denn das kann es ja auch nicht sein, dass ich mich dadurch einschränken lass. Das hat auch ganz gut funktioniert - nachdem ich mir das bewusst gemacht hatte - bis vorhin

Ich hatte heute nicht vor etwas zu geben. Als ich vom Metzger zurückkam, an ihm vorbei lief, machte er ein eindeutiges Zeichen, er hat Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zusammengehalten und mehrmals damit auf seinen Mund gezeigt. Ich bin dann weiter einkaufen, im Discounter auf der anderen Seite von ihm. Als ich rauskam und ins Haus in meine Wohnung wollte, machte er die gleiche Bewegung zum Mund noch ein paar Mal. Ich war dann recht verärgert, hab ihm 50 Cent gegeben, aber auch deutlich gesagt, dass ich so ein aufforderndes Verhalten ziemlich daneben finde. Da er kein Deutsch spricht, war das vegebene Liebesmüh, wobei den Tonfall wird er verstanden haben. Aber ich war ja insofern inkonsequent, weil ich ihm ja dann trotzdem Geld gegeben habe

Als Alternative würde mir jetzt nur einfallen, dass ich ihm das nächste Mal etwas zum Essen gebe. Denn dass die meisten Bettler hier wirklich zu wenig zu essen haben, weiß ich von einer ehemaligen Kollegin aus dem sozialen Bereich. Aber ich hab damit echt Schwierigkeiten. Zum einen wüsste ich nicht genau, was ich dann geben sollte, zum anderen finde ich das erniedrigender für jemanden, wenn man etwas zu essen annehmen soll. Mit dem Geld bleibt doch ein bisschen Rest von Würde und man kann sich selbst aussuchen, was man innerhalb eines bestimmten Rahmens gern essen möchte.
So, und jetzt würde ich mich über regen Input vom Naschi-Schwarm freuen

Viele Grüße,
Sugar
*Wie wenig von dem Geld bei den Bettlern meist ankommt, da sie in Banden organisiert sind und das meiste abgeben müssen, weiß ich. Das würde ich gern im Moment gern außen vor lassen.